Predigt zu Joh 16,23-33 (von Henning Porrmann)
Liebe Gemeinde!
über diesen Gottesdienst habe ich etwas vollmundig die Frage geschrieben: Beten – wie geht das eigentlich? Und natürlich möchte ich heute darauf Antworten geben, aber nicht letztgültige Antworten, sondern Möglichkeiten, Einladungen, Experimente, Dinge zum Ausprobieren. Letztlich geht es nämlich beim Beten meiner Meinung nach immer darum, sich mit G+tt zu verbinden und aus dieser Verbindung Kraft zu schöpfen für ein friedvolles, mutiges und getrostes Leben in dieser Welt. Jesus gibt ja auch als Ziel der Bitte an Gott Frieden und Freude aus.
Also, in dem Predigttext von heute aus dem Johannesevangelium ermutigt Jesus seine Freunde, sich mit ihren Bitten und Gebeten direkt an seinen Vater, also G+tt zu wenden.
Es braucht keine Zwischenstufe. Jesus und G+tt und der Heilige Geist: Alles eins. Wenn Jesus sagt: Ihr werdet in meinem Namen bitten, will er genau diese direkte Verbindung zu G+tt, zum Lebendigen stark machen. So er selbst direkt mit seinem himmlischen Vater verbunden ist, können wir auch verbunden sein. Wir brauchen bei G+tt keine Vermittlung, nicht die Kirche, keine Heiligen und noch nicht einmal Jesus, damit G+tt sich unseres Anliegens annimmt. Man kann die beiden oder die drei eh nicht unterscheiden. Schöpfer, lebendige Liebe, Geistkraft. Alles verschiedene Ausformungen und Erscheinungsformen, bzw. symbolische Rede von G+tt.
Das heißt aber auch, wenn ich einlade zum Beten und zum Ausprobieren wie das gehen kann, dann kannst du schon mit der Anrede G+ttes experimentieren. Also G+tt Vater Sohn und Heiliger Geist wäre das Klassische. Mit der Anrede kannst du schon einiges an Vertrauen ausdrücken und dich selbst öffnen für diese Verbindung: Lebendiger, G+tt, lieber himmlischer Vater, Heilige Geistkraft, G+tt lebendiger Atem, du Leben in allem Leben, Barmherziger, Gnädiger, Liebevolle… das könnte jetzt immer so weitergehen. Ich glaube G+tt liebt es, wenn wir Namen für ihn erfinden, die zeigen, wie Menschen ihn liebhaben, ihr vertrauen.
Damit ist eine Antwort auf die Frage wie beten geht: Namen erfinden, die Euer ganz persönliches Verhältnis zum Ewigen ausdrücken, die Euch helfen mit seiner Kraft in Verbindung zu kommen und die Euch für seine Gegenwart und Nähe öffnen. Vielleicht ist es nicht für jeden oder jede Herr oder Vater, sondern Mutter oder Bruder oder Freund.
Und dann ist Beten Vertrauen, dass du nicht alleine bist. Jesus sagt es als Beispiel: Ich bin nicht allein. Der Vater ist bei mir. Dieses Verbundensein mit dem Lebendigen ist das Vertrauen, das zum Frieden führt. „Das habe ich zu euch gesagt, damit ihr bei mir Frieden findet.“ sagt Jesus. Und damit ist Gebet auch eine grundsätzliche Haltung: Ich vertraue darauf, dass ich mit G+tt verbunden bin. Immer, wenn es mir gut geht, genauso wie wenn es mir schlecht geht, wenn ich lache und wenn ich weine, wenn ich es spüren kann in einer unbändigen Lebensenergie und wenn ich wie abgeschnitten bin von allen lebendigen Quellen, wenn ich dankbar bin und wenn ich im Klagemodus bin. Untendrunter, am Grund, um mich herum ist die Gegenwart G+ttes auch dann noch, wenn ich sie nicht wahrnehmen kann.
Diese Haltung ist nicht leicht einzunehmen und doch kannst du sie ausprobieren und dir immer wieder klarmachen und dich daran erinnern. Ich persönlich setze mich dazu oft auf mein kleines Bänkchen, zünde mir eine Kerze an und habe mir ein Bild von Jesus aufgestellt, auf dem er die Hände ausbreitet und in einem hellen Lichtkreis steht. Und dann sitze ich einfach da und stelle mir vor, wie mich dieser Lichtkreis Jesu, die Gegenwart G+ttes und die Kraft des Heiligen Geistes umgibt und erfüllt. Sonst nichts. Dabei muss ich nichts sagen. Im Schweigen bin ich einfach da in diesem Raum der Liebe G+ttes. Meine einzige Aufgabe dabei ist, meine Gedanken immer wieder zurückzubegleiten zu dieser Gegenwart. Dabei hilft mir mein Atem. Ich kann ein Wort mit dem Atem verbinden, zum Beispiel bei einatmen: Verbunden bin ich, und beim Ausatmen: mit deiner Gegenwart G+tt.
Schweigen im Raum der Liebe G+ttes, die immer da ist. Auch das ist Gebet.
Da muss ich immer an eine Geschichte von Mutter Theresa denken: Ein Reporter fragt Mutter Teresa:
„Was sagen Sie zu Gott, wenn Sie beten?“
Sie antwortet: „Ich höre zu.“
Der Reporter ist überrascht und fragt dann:
„Und was sagt Gott zu Ihnen?“
Darauf antwortet sie: „Er hört zu.“
Nach einer Weile fügt sie noch hinzu: „Und wenn du das nicht verstehst, kann ich es dir auch nicht erklären.“
Zuhören ist noch so eine Form des Gebetes, die unserer Welt gut tut und in den Frieden führt. Nicht nur dem Höchsten zuhören, sondern uns gegenseitig zuhören könnte ein Weg sein, den wir beim Beten, beim Hören auf G+tt einüben können.
Und dann ist ein weiterer wichtiger Punkt in meiner Antwort, dass Mutter Theresa es nicht erklären kann. Es bleibt geheimnisvoll. Du musst es einfach ausprobieren, spüren, wie du verbunden bist. Theoretisch geht das nicht. Beten hat es mit dem Herzen zu tun und mit dem Fühlen und mit dem Verstand. Viele sagen heute: Beten ist ganzheitlich.
Manchmal wird mir in der evangelischen Kirche der Verstand zu sehr überbetont. Da habe ich den Eindruck, dass Gefühle die aufkommen könnten, abgewehrt werden müssen. Dabei steckt gerade in der Ganzheit eine große Kraft. Mein Geist, meine Seele, mein Körper und mein Verstand spielen beim Gebet mit und werden in die Gegenwart G+ttes beim Beten mitgenommen. Besonders der Körper mit seinen Empfindungen und überhaupt seinem Sein, wird nicht so sehr beachtet, dabei gibt es uns nur im Verbund mit Körper, Verstand und Seele. Darum mache ich oft auch Übungen, wo die Worte des Gebetes mit Bewegungen des Körpers verbunden werden. Aber auch in der Kirche stehen wir ja auf und manche falten die Hände oder öffnen ihre Hände und gehen so beim Beten auch körperlich auf Empfang, öffnen sich für die Verbindung zu G+tt. Insofern auch das kann beim Beten helfen: Bewusst eine andere Körperhaltung auszuprobieren und zu spüren: Mit meinem ganzen Sein, auch mit meinem Körper, der so ist wie er ist, bin ich in der Gegenwart des Höchsten.
Naja, und dann kann ich mich nicht länger herumdrücken vor der Frage nach der Erhörung des Gebets. Jesus sagt ja hier in diesem Text: Alles, worum ihr den Vater in meinem Namen bittet, das wird er euch geben! Bis jetzt habt ihr in meinem Namen um nichts gebeten. Bittet – und ihr werdet es bekommen.
Das ist ein echter Knackpunkt, der bestimmt viele Menschen schon dazu gebracht hat, G+tt den Rücken zu kehren und nicht mehr zu beten, weil sie inständig um Hilfe gebetet und sie nicht bekommen haben. Ich meine jetzt nicht die Gebete beim Ausfüllen des Lottoscheins oder um schönes Wetter, weil ich morgen Wandern gehe. Ich meine die Gebete um Gesundheit, um Frieden, um ein Ende von Gewalt, dass sich Geschwister wieder versöhnen oder Kinder wieder zurück zu ihren Eltern finden. Alles ernsthafte Gebete, die eine Erhörung verdienen.
Und doch passiert es nicht immer. G+tt erfüllt scheinbar gar nicht alle Bitten und gibt, was wir erbitten. Und das macht selbst mich als Pfarrer immer wieder ratlos und lässt mich fragend und manchmal verzweifelt zurück. Warum klappt es scheinbar manchmal und manchmal nicht?
Ich weiß es leider nicht. Diese Frage muss heute offen bleiben. Es bleibt ein Geheimnis, wie G+tt durch seine Gegenwart und Liebe in dieser Welt und in Menschen wirkt. Ich weiß nur: Er ist da. Die Liebe ist da.
Jesus ermutigt hier zum Beten, bis heute und trotz dieser Erfahrungen und ich weiß: Beten hilft, auch wenn lange nicht alle Bitten erfüllt werden. Beten hilft mir aufzutanken im Raum der Liebe G+ttes. Beten hilft, damit Menschen sich miteinander verbinden in ihren Wünschen und Bitten und gemeinsam in der Kraft G+ttes weitergehen und gestalten. Beten verbindet mich mit G+tt und meine Bitten und Wünsche bekommen einen Ort, der mein Verstehen weit übersteigt. (Vielleicht ist Johannes auch deshalb so verschwurbelt und schreibt etwas rätselhaft hier). Beten hilft zum Frieden, zum inneren Frieden und von da aus auch zum äußeren Frieden. Beten hilft mir, meine Dankbarkeit zu entdecken und auszusprechen und zu fühlen, für ganz kleine Dinge und ganz Große. Beten hilft mir, meine Klage zu formulieren und meine Bitten zu finden, meine Wünsche und so ein Bild für die Zukunft.
G+tt bleibt an dieser Stelle geheimnisvoll und lässt sich nicht reduzieren auf einen Kaugummiautomatengott: Ich stecke 50 Cent rein und bekomme ein Kaugummi raus.
G+tt bleibt geheimnisvoll und doch ganz nah mit mir verbunden und verbindet mich so mit der ganzen Gemeinschaft der Menschen, ja sogar mit allem was lebt, mit der ganzen Welt. Darin steckt für mich die größte Kraft, dass ich, dass du, dass wir gemeinsam immer mit ihm, mit der Kraft des Lebens verbunden bleiben, sogar auch noch im Tod und darüber hinaus. Und so endet Jesus diese Passage mit dem Satz: Dann wird die Freude euch ganz und gar erfüllen! Und verweist auf eine Stelle, die er einen Vers vor dem Bibeltext sagt: Ihr seid jetzt traurig. Doch ich werde euch wiedersehen. Dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude kann euch niemand mehr nehmen.
Und dann endet dieser Abschnitt mit dem berühmten Satz: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost. Ich habe die Welt überwunden.
Dazu könnte ich jetzt eine ganze eigene Predigt halten. Nur soviel möchte ich sagen. Wenn Jesus die Welt hier überwindet oder schon überwunden hat, dann meint er nicht, dass die Welt an sich schlecht ist, sondern dann meint er wohl, dass wir uns mitten in der Welt und in unserer Lebensangst und Weltenschmerz mit ihm verbinden können, weil er eine Perspektive einbringt, die alles miteinschließt, was zum Leben gehört. Wie gesagt, leider ist die Predigt hier zu Ende und auch dieser Teil muss offenbleiben.
Ich glaube nicht, dass ich alles zum Gebet gesagt habe. Vielleicht konnte ich Anregungen geben. Zum Bitten, auch wenn nicht alle Bitten erhört werden, zum Schweigen, damit ich die Gegenwart G+ttes erfahre und zum Danken, damit ich mich verbunden fühlen kann, mit der lebendigen Kraft G+ttes.
Bei all dem bin ich mir bewusst, dass ich hier von einem großen Geheimnis rede, das nicht mit dem Verstand zu erfassen ist. Meine Gedanken mögen Eure Gedanken auf die Reise schicken, zu einem tieferen Verständnis als meines sein kann. Dabei begleite euch der Friede G+ttes, der alle Vernunft weit übersteigt. Er bewahre, schütze und behüte unseren innersten Wesenskern, unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.