Predigt zu Jes 49,1-6
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Liebe Gemeinde!
Sie kennen das alle: Da legt sich jemand total ins Zeug, hängt sich rein und engagiert sich, organisiert das Riesenfest, den Verein und das Büro an der Arbeit und dann gibt es keine oder nur eine kleine Resonanz. Oder Ihr Schülerinnen und Schüler in der Schule: man macht und tut, rackert sich nach seinen Kräften ab und dann kommt in der Arbeit etwas ganz anderes dran. Oder wenn ich mir vorstelle, wie es Menschen bei Greenpeace zum Beispiel gehen muss, oder überhaupt allen, die sich für das weltweite Klima und den Umweltschutz einsetzen und dann kommt ein amerikanischer Präsident und leugnet, dass es den Klimawandel überhaupt gibt und steigt aus allen Abkommen einfach mal eben aus. Alle Arbeit umsonst. Oder wenn man sich anhört, mit welchen Worten, mit welcher Dreistigkeit und Dummheit in diesen Tagen nicht nur von der AFD oder anderen rechtextremen Gruppierungen Politik gemacht wird, wie die gute alte Nazizeit so langsam wieder Einzug hält, wenn da die Rede ist von: Wir müssen uns halt wehren. Oder „die Migration sei die Mutter ALLER Probleme“ oder wenn Fakten von obersten Regierungsvertretern und Behördenchefs verdreht und verharmlost werden, dann frage ich mich, ob nicht auch die ganze Bemühung um Bildung in unserem Land für die Katz war. All diesen vergeblichen Bemühungen ist gemein, dass wir dieses Vergeblich oder umsonst nicht nur aus dem Großen und Ganzen, sondern auch aus dem eigenen Leben kennen.
Auch der Bibeltext, der heute Grundlage der Predigt ist, beschreibt einen Menschen, der für seine Sache gebrannt hat, der engagiert war für sein Volk Israel und immer wieder dafür eingetreten ist, dass die Maßstäbe Gottes wichtig sind, dass es um Gerechtigkeit gehen muss und nicht um den schnellen Machtgewinn, dass er um Mitmenschlichkeit und Frieden gehen muss und nicht um Auseinandersetzung und Krieg, wenn meine Ziele nicht so leicht zu erreichen sind, dass es darum geht Menschen aufzurichten statt ihnen Angst zu machen und Hass und Gewalt zu schüren. Doch hören sie selbst wie aktuell der alte Text ist, der nach dem Exil der Israeliten entstanden sein muss, in einer Situation, in der der Wideraufbau nicht so lief, wie sich das alle erhofft hatten, in der viele Angst hatten, dass es wieder nicht klappt und offenbar auch in einer Zeit, in der der Sprecher erkannte, dass er mit seinen Bemühungen die Werte Gottes gegen Hass, Angst und Gewalt zu stellen nicht zum Ziel gekommen sind.
Ich lese aus der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache Jes 49,1-6
Hört auf mich, ihr Inseln, hört gut zu, ihr Völker in der Ferne! Gott hat mich berufen von Mutterleib an, gedachte meines Namens, als ich noch im Leib meiner Mutter war. Gott hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mich im Schatten der Gotteshand geborgen, mich zu einem spitzen Pfeil gemacht, im Köcher mich verwahrt.
Gott hat zu mir gesprochen: »Du stehst in meinem Dienst!
Israel, durch dich will ich meine Würde zeigen!«
Ich aber hatte mir gesagt: »Umsonst habe ich mich bemüht, für nichts und wieder nichts meine Kraft verbraucht!« Trotzdem: Mein Recht liegt bei Gott und der Lohn meines Tuns bei meiner Gottheit. Aber nun hat Gott gesprochen! Von Mutterleib an bin ich gebildet, im Dienst Gottes zu stehen, um Jakob zurückzuführen zu Gott, so dass Israel für Gott gesammelt wird. Ich bin wertgeschätzt in Gottes Augen und mein Gott ist meine Kraft.
Und Gott sprach: »Zu wenig ist es, dass du in meinem Dienst stehst, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Geretteten Israels zurückzubringen, sondern ich mache dich zum Licht für alle Völker, damit meine Rettung reicht bis an die Enden der Erde.«
Wie gesagt, liebe Gemeinde, auch dieser Prophet, dessen Namen wir nicht wirklich kennen, ist ans Ende seiner Kraft gekommen und hat die Vergeblichkeit seines Tuns schmerzhaft gespürt und hat nicht sehen können, wie seine Worte eine Veränderung bewirkt hätten, wie er es geschafft hätte haben sollen, die Würde Gottes zu zeigen, wie er die Menschen zum Guten bewegen sollte.
Klar, dazu berufen war er, dafür gebrannt hat er, aber offenbar kommt er sich jetzt kraftlos vor, wie einer der sich umsonst bemüht hat und für nichts und wieder nichts seine Kraft verbraucht hat. Was tut man in so einer Situation?
Er könnte sagen: Ach, macht doch Eure Politik, Eure Gesellschaft, Eure Machtspielchen ohne mich. Ich kann und werde meine Ideen nicht mehr einbringen. Bringt ja doch nichts.
Greenpeace, Amnesty International, viele engagierte Politikerinnen und Politiker, viele Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe, bei den Tafeln, bei den Feuerwehren, in unseren Vereinen und wo nicht noch alles hätten auch schon an vielen Stellen längst sagen können: Ach, macht doch Euren Sch…. rott alleine. Ohne mich. Ich kann nicht mehr. Dauernd das Gefühl vergeblich zu arbeiten, dauernd einen Dämpfer zu erhalten, dauernd aushalten, dass mein Tun ja scheinbar doch keinen Unterschied oder gar Sinn macht das hält kein Mensch lange aus. Und doch gibt es offenbar – sogar viele Menschen – die es tun, die trotzdem weiter arbeiten für den Frieden, für das Klima und den Umweltschutz, für ein buntes Vereinsleben, für die Kirchengemeinde, für Toleranz und Menschenfreundlichkeit, gegen Angst, Hoffnungslosigkeit und Gewalt.
Sie schöpfen offenbar nicht nur aus dem Erfolg ihres Handelns Kraft, sondern aus dem Ziel an sich, auch wenn es noch nicht erreicht ist oder es immer mal wieder so aussieht, als wäre es nie zu erreichen. Sie also haben eine richtig gute Kraftquelle tief in sich drin. Und so können sie die Ohnmacht und das Scheitern annehmen, müssen es nicht abwehren und können aus dem Scheitern zu lernen, können immer wieder neue Wege einschlagen.
Unser Prophet ist da ganz ähnlich: Ja er fühlt sich gescheitert und am Ende seiner Kraft, aber dann erinnert er sich an seine Kraftquelle und sagt sein sich selbst ermutigendes TROTZDEM: Mein Recht liegt bei Gott und der Lohn meines Tuns bei meiner Gottheit. UND: Ich bin wertgeschätzt in Gottes Augen und mein Gott ist meine Kraft.
Er weiß um seinen Wert, auch wenn er die Wertschätzung und den Erfolg von seinem Volk nicht bekommt. Und liebe Gemeinde, das ist im ganz Kleinen unseres eigenen Lebens ganz genauso: Wenn ich um meinen Wert weiß, kann ihn mir niemand wegnehmen. Wenn ich allerdings immer wieder meinen eigenen Wert einzig und allein nur auf die Rückmeldung von anderen Menschen aufbaue oder auf meinen Erfolg oder auf meine Gesundheit oder auf sonst was äußeres, dann kann das zwar eine Weile gut gehen, aber mit einem Scheitern kann ich dann nicht umgehen. So aber kann der Prophet wieder aufstehen und bekommt den Auftrag Gottes Licht in die ganze Welt zu tragen.
Ich finde, liebe Gemeinde, wir sollten bei uns im Land den Menschen insofern mehr Selbstwertschätzung beibringen, sie ermutigen ihre inneren Kraftquellen zu pflegen und niemals zu vergessen, denn dann kommt auch keine Angst mehr auf, dass mir jemand was wegnimmt, eine Angst die leider offensichtlich gerade im Blick auf die Flüchtlingspolitik wieder massiv geschürt wird. Wie wäre es also, wenn alle Menschen in Deutschland, welcher Herkunft auch immer, lernen würden, dass sie schon eine Menschenwürde an sich haben, dass sie wertvoll sind. Und wie wäre es weiter wenn alle Menschen in Deutschland lernen würden, dass es ganz normal ist, vor dem Fremden oder einem Fremden Angst zu haben und dann die Fähigkeit entwickeln diese Angst anzunehmen und damit umzugehen. Die Angst ist nicht weg, wenn man das Fremde ausgrenzt. Ganz im Gegenteil, die Angst davor wird größer. Aber was die AFD, was Populisten und Angstmacher behaupten ist: Du musst nur die Fremden beseitigen, dann brauchst du keine Angst mehr haben. Bezogen auf die weltweite Flüchtlingssituation bedeutet das ungefähr das Gleiche wie einen Deckel auf einem Topf kochenden Wassers einfach noch fester draufzudrücken, dabei weiß doch wirklich jeder, dass dann der Druck irgendwann nicht mehr auszuhalten ist. Annahme des Fremden, ein interessierter Blick, sich vertraut machen, wäre doch die richtig Reaktion. Es ist ermutigend, dass in der neuesten Integrationsumfrage herauskam, dass die Deutschen, die einen häufigen Kontakt zu Migranten und Menschen aus anderen Kulturkreisen haben, sehr entspannt sind, was die Einschätzung für das Zusammenleben angeht, hingegen erleben wir, dass gerade in Bundesländern in denen wenige Menschen aus anderen Kulturkreisen leben, die Angst bei den Einheimischen um ein Vielfaches gesteigert ist. Daraus kann man nur schließen: Der Ruf: Ausländer und Flüchtlinge raus! verstärkt die Angst, das Misstrauen und verschlechtert die Lebensqualität insgesamt.
Und damit, liebe Gemeinde, sind wir ganz nah bei dem Auftrag den der Prophet da von Gott bekommt. Es reicht nicht, dass er zum Heil und zum Frieden nur für ein Volk auftritt, sondern das Licht Gottes soll er zu allen Völkern bringen. Nicht nur Israel, sondern alle Völker sollen aufgerichtet werden von der Kraft Gottes, bis an die Enden der Erde.
Das ist kein kleiner Auftrag und kein kleiner Anspruch, aber das ist schon damals die Erkenntnis, dass in vielen Fragen die Menschheit global zusammenhalten und zusammen arbeiten muss. Ich interpretiere diesen weltweiten Anspruch jetzt nicht als Missionsbefehl, in diesem Fall für das Judentum, sondern viel umfassender als den Anspruch des Schöpfers von Himmel und Erde, als den Anspruch der Macht allen Lebens, dass alle Menschen auf der ganzen Welt sich einsetzen für diesen Lebensraum, für unsere Welt, egal welcher Nationalität oder Religion. In diesem Anspruch die Welt als Lebensraum zu bewahren und Mitmenschlichkeit und Menschenwürde zu leben werden alle Grenzen überwunden, auch die der Religionen.
Es lohnt sich, liebe Gemeinde, auch wenn es manchmal nicht auf Anhieb so aussieht, an der Kraftquelle Gott festzuhalten und für seine Werte von Mitmenschlichkeit und Toleranz und einen guten nachhaltigen Umgang mit der Schöpfung in dieser Welt einzutreten, sich rufen zu lassen und aufzustehen damit es hell wird überall auf der Welt, aber eben auch hier bei uns um die Ecke. In der großen und kleinen Politik, in jedem Verein, der sich für das Gemeinwohl und die Gemeinschaft einsetzt, in Organisationen, die sich um Umweltschutz und das gute Klima kümmern, in der Kirche, die Menschen hoffentlich immer wieder dazu ermutigt, die Menschenwürde und Mitmenschlichkeit zu leben. In diesem Sinne rufe ich uns allen, mit den Worten des Propheten zu:
Unser Recht liegt bei Gott und der Lohn unseres Tuns bei unserer Gottheit. Wir sind wertgeschätzt in Gottes Augen und unser Gott ist unsere Kraft. Gott helfe uns. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Ablauf Gottesdienst am 23.9.2018 in der Schlosskirche in Meerholz um 10.00 Uhr
- Orgelvorspiel
- Lied: EG 155,1-2 Herr, Jesu Christ, dich zu uns wend
- Begrüßung
- Lied: EG 452,1-5 Er weckt mich alle Morgen
- EG 719 Psalm 36
- Bittruf, Lobpreis und Tagesgebet
- Schriftlesung Mt 15, 21–28 (KV)
- Glaubensbekenntnis (KV)
- Lied: EG 262,1-6 Sonne der Gerechtigkeit
- Predigt zu Jes 49,1-6
- Lied: EG + 114 Dein Wort (Gitarre)
- Abkündigungen
- Fürbitten / Vaterunser
- Lied: EG 170,1-4 Komm, Herr, segne uns
- Bekanntmachungen (KV)
- Segen
- Orgelnachspiel