Predigt zu Eph 5,1-8a am 28.2.2016 in der Schlosskirche in Meerholz von Pfarrer Henning Porrmann
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Liebe Gemeinde!
Als Nelson Mandela 1994 seine Amtszeit als Präsident von Südafrika antritt steht er vor der Herausforderung als ehemaliger Revolutionär gegen die Apartheid nun das Land auf den Weg der Versöhnung zu führen und die Menschlichkeit über alle trennenden Gräben des Rassenhass zu stellen. Diese Überwindung von Hass und Gewalt und vor allem die Hinwendung zu Mitmenschlichkeit, Versöhnung und Liebe fängt bei jedem Einzelnen an. Es passt gut dazu, dass folgender Text, der Antrittsrede Nelson Mandelas zugeschrieben wird. Soweit ich herausfinden konnte, stammt er jedoch von einer amerikanischen Predigerin, Marianne Williamson. Ich finde diesen Text so ermutigend, dass er heute die Predigt eröffnen darf:
Unsere größte Angst ist nicht, unzulänglich zu sein.
Unsere größte Angst besteht darin, unermesslich mächtig zu sein. Unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, ängstigt uns am meisten. Wir fragen uns, wer bin ich denn, dass ich so brillant sein soll? Aber wer bist du, es nicht zu sein?
Du bist ein Kind Gottes.
Es dient der Welt nicht, wenn du dich klein machst.
Sich klein zu machen, nur damit unsere Mitmenschen sich nicht unsicher fühlen, hat nichts Erleuchtetes.
Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes in uns zu manifestieren.
Es ist nicht nur in einigen Menschen, sondern er ist in jedem einzelnen.
Und wenn wir unser Licht leuchten lassen,
geben wir damit anderen unbewusst die Erlaubnis, dasselbe zu tun.
Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,
befreit unsere Gegenwart automatisch die anderen.
Soweit dieses beeindruckende Zitat.
Angst, liebe Gemeinde, ist immer ein schlechter Ratgeber und führt dazu, dass Gräben bestehen bleiben oder wieder aufreißen. Angst betont das Bedrohliche des anderen und hilft dabei mit, ihn oder sie auf die eine oder andere Art schlecht dastehen zu lassen. Was folgt ist die bekannte Spirale aus Wort – Gegenwort – Gewalt und Gegengewalt.
Die Antwort Nelson Mandelas: Mach dir klar, dass du ein Kind Gottes bist, genauso wie der Weiße oder Schwarze der dir heute begegnet, weil wir gemeinsam Menschen sind. In uns soll sich die Herrlichkeit Gottes widerspiegeln. Wir haben die Aufgabe, Gottes Licht auf dieser Erde zum Leuchten zu bringen. Wer das tut hat keine Angst, weder vor dem eigenen Licht noch vor dem Unbekannten anderen.
Zugegeben, das sind große Worte und manchmal ist es mir persönlich wirklich näher, mich nicht als große Leuchte zu fühlen, sondern wenn überhaupt eher als ganz kleines Lichtlein, aber der heutige Predigttext sagt genau das Gegenteil, spricht mir und allen Menschen zu: Du hast die Finsternis längst hinter dir und bist nun ein Licht Gottes.
Der Autor unseres Predigttextes, der von den meisten Neutestamentlern als Schüler von Paulus identifiziert wird, stand vor einem ähnlichen Problem, wie Nelson Mandela. Die christlichen Gemeinden Kleinasiens im Jahr 90 hatten unter anderem einen heftigen Konflikt zwischen Christen, die aus dem Judentum konvertiert sind und Christen, die vorher alle möglichen anderen Weltanschauungen und Religionen verehrt haben. Kern und Angelpunkt ist für den Schreiber des Epheserbriefes die Taufe als Startpunkt des christlichen Lebens und sogar mehr als das: Mit der Taufe findet eine kategoriale Wesensveränderung des Menschen statt. Er ist grundsätzlich nicht mehr den totbringenden Mächten der Welt unterworfen, sondern nur noch der Liebe Gottes.
Auf dieser Grundlage versucht der ganze Brief, die Christen Kleinasiens wieder zurück zur Einheit zu bringen und sie daran zu erinnern, wes Geistes Kind sie sind und unter welcher Macht sie leben und dass das auch für die jeweils anderen gilt. Ich lese den Predigttext aus Epheser 5,1-8a.
So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.
Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen.
Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.
Liebe Gemeinde, das Problem am Christsein ist, dass einerseits dieser grundsätzliche Herrschaftswandel stattgefunden hat – wir gehören zu Gott im Leben und im Sterben und weit darüber hinaus, für immer; – andererseits aber haben wir die Freiheit uns zu verhalten, wie wir wollen. Anders formuliert: Alle, die mit der Taufe Gottes Kinder geworden sind, sind schon - um in den dualistischen Bildern des Textes zu bleiben, der Finsternis entrissen. Aber irgendwie scheint das alles mit dem anderen Verhalten noch nicht ganz zu klappen.
Im real existierenden Leben gibt es eben viele Graustufen und Bunt und nicht nur hell und dunkel, möchte man am liebsten dem Briefeschreiber zurufen. Wir laufen bis heute nicht alle nur mit einem erlösten Lächeln herum und reden nur Gutes, sondern wir kennen gut, was du da schreibst von Habsucht oder schandbaren, närrischen oder losen Reden beim Tratschen an der Ecke oder oder beim hemmungslos die Meinung sagen im Internet. So sind wir Menschen nun mal!
Aber halt! Auch wenn das natürlich nachvollziehbar ist, gegen dieses resignativ fatalistische „So sind wir nun mal!“ und das mitgedachte: „Daran kann man eh nichts ändern!“ wendet sich ja gerade unser Predigttext und solche Persönlichkeiten wie Nelson Mandela, wenn sie den Menschen Mut machen Ihrer wahrhaft menschlichen Natur gemäß zu leben und ihnen neue Lebens- und Glaubenssätze mit auf den Weg geben, die das Licht in ihnen entfalten.
Ich glaube es liegt ungeheuer viel Kraft in unseren Glaubenssätzen, die wir so alle für unser Leben einmal aufgestellt haben oder die von anderen über unser Leben gestellt worden sind. Einer davon ist tatsächlich. „Da kann man nichts machen!“ Ein anderer häufig gehörter und innerlich immer wieder hervorgeholte Satz: Nimm dich mal selber nicht so wichtig. Gib nicht an. Sei bescheiden! Du und Licht? Noch ein anderer Glaubenssatz gefällig, der mehr vom Leben abhält, als dass er ihm hilft: Pass auf, dass du nichts falsch machst!
Das ist übrigens die Schwäche des heutigen Predigttextes, denn er verstärkt diesen letzten Glaubenssatz, der nichts mit einem freien, offenen, freudigen, manchmal experimentellem Umgang mit Leben zu tun hat, sondern in aller Regel in die Angst führt. Leider arbeitet der Briefeschreiber hier auch mit der Angst vor dem Zorn Gottes. Damals war Angst eben noch ein Mittel der Pädagogik und die meisten Lehrer dachten, sie könnten die Menschen mit Angst vor Strafe zu einem besseren Leben erziehen.
Vielleicht bin ich aber auch zu streng mit diesem Paulusschüler, denn sein Anliegen ist es ja eindeutig, den Menschen einen neuen Glaubenssatz mit auf den Weg zu geben, der sie befreit von allen Glaubenssätzen der Finsternis, wenn er sagt:
Ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Ihr seid längst die geliebten Kinder Gottes.
Auch ein solcher Glaubenssatz hat Einfluss auf mein Leben. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich mir zum Beispiel mit einem Text wie dem vom Anfang immer wieder klarmache, dass ich Licht im Herrn bin. Oder ob ich mir immer wieder bei allen möglichen kleinsten Fehlern oder Vergesslichkeiten selber sage: Ich bin ja sooo doof. Woran liegt das, dass wir so große Schwierigkeiten damit haben, wozu ja auch schon Jesus ermutigt hat: Lass dein Licht leuchten vor den Menschen? Meinen wir besser damit leben zu können uns selbst als dumm zu beschimpfen? Oder liegt es daran, dass viele Menschen durch einen völlig übertriebenen Perfektionismus dazu erzogen wurden keine Fehler zu machen und dann eben jeder Fehler, jede Kritik, jede Abweichung von unseren eigenen Ansprüchen, bei uns selbst, aber auch bei anderen, viel stärker gewichtet wird, als all die vielen Momente in denen wir wirklich sind was wir sind: Licht für uns und andere?
Und diese Momente gibt es. Es lohnt sich wirklich, liebe Gemeinde, mal all diese Lichtmomente zu sammeln, die so im ganz normalen Alltag vorkommen und sie dann nicht mit dem gelernten „Das ist doch gar nichts!“ abzutun: Für die Familie eingekauft und mit liebevollem Gedanken an den Ehemann seinen Lieblingskäse eingepackt: Licht! Zum hundertsten Mal die Krümel aus den Sitzen des Autos gesaugt: Licht! Den grummeligen Nachbarn, der nie ein Wort zu viel sagt, freundlich angelächelt und einen guten Tag gewünscht: Licht. Wenn Sie, liebe Gemeinde mal aufmerksam durch den Alltag gehen, werden sie viel von dem entdecken, was sie sich als Licht hinter die Augen schreiben können, wenn sie all das eben nicht mit „Das ist doch selbstverständlich“ abtun!
Und klar: Es wird immer noch Fehler geben, Geschwätz, Verletzungen, die ich anderen zufüge oder die mir andere zufügen, andere Finsternisse, die über mich hereinbrechen. All das tue und erlebe ich auch, aber ich bin es nicht, sagt der Bibeltext. So kann ich auch meine finsteren Taten wahrnehmen, aber ich muss mich nicht mehr mit der Finsternis identifizieren. Ich bin Licht, auch wenn manches was ich tue dem nicht entspricht. Merken sie den Unterschied?
Das Licht, das ich bin und das in mir leuchtet ist immer da und bei mir, nur bin ich eben nicht immer in Kontakt mit ihm. Oft ist der Zugang zu diesem Licht zugeschüttet durch anderes Zeugs, schändliche Rede, mich kleinhaltende Glaubenssätze, Zeitmangel, Stress, vieles mehr. Aber auch dann ist dieser Lichtraum in mir da, wenn ich ihn nicht wahrnehmen kann. Ich kann immer wieder zu ihm zurückkehren auch wenn ich es nicht immer schaffe ihm gemäß zu leben. Ich kann mich erinnern lassen, was ich seit meiner Taufe in den Augen Gottes bin: Licht! Darin liegt eine große Gelassenheit im Umgang mit mir selbst, aber auch im Umgang mit den Anderen.
Und dann passiert noch etwas: Ich nenne es das Phänomen Kinderwagen. Als wir damals mit Kinderwagen unterwegs waren, sind uns komischer Weise ganz viele andere Menschen mit Kinderwägen aufgefallen… Mit was ich gerade beschäftigt bin, das nehme ich wahr. D.h.: Wenn ich mich als selbst Licht ansehe, so wie Gott es tut, dann nehme ich auch die anderen in diesem Licht wahr.
Lassen wir doch heute und morgen und immer wieder für uns gelten, was die Bibel sagt: So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.